Die Natur hat ihren eigenen Rhythmus und ihre eigenen Gesetze: Die verschiedenen Jahreszeiten und Wetterlagen konfrontieren uns mit ganz unterschiedlichen Gegebenheiten: Mal ist es nass, kalt, schlammig, mal heiß, trocken, ja staubig. Die Farben verändern sich, die Gerüche, die Töne, das Licht, – kein Tag ist wie der vorhergehende. Auch die Tierwelt begegnet uns je nach Jahreszeit anders.

Im Waldkindergarten sind wir mit diesen Unterschieden jeden Tag konfrontiert und lernen damit umzugehen und unsere Waldpädagogik ist danach ausgerichtet.

Der Wald als großer Raum hat keine festen Grenzen und entspricht keinen Sicherheitsnormen. Sicherheit schafft die verlässliche und konstante Anwesenheit der Erzieherinnen. Die Kinder erleben sich und die Erzieherinnen im festen Rhythmus unseres Alltages als zusammengehörige Gruppe und geben sich untereinander gegenseitig Halt in der Weite des Waldes. So kann der Raum als Bewegungsraum, Spielraum, Ruheraum aus der Sicherheit der Gruppe heraus erkundet und erfahren werden.

Der feste Platz des Kindergartens, die von uns vorgegebenen räumlichen Strukturen wie der Rugelkreis, der Waschplatz, die Grenze zur Straße geben ebenfalls Halt. Durch klare Regeln im Wald entstehen Sicherheit und Orientierung im freien Raum, die Voraussetzung sind für Entspannung und Wohlbefinden und damit auch für ganzheitliches Lernen.

Vielfalt an Bewegungsanlässen

Der natürliche Raum in seinem Wandel bietet den Kindern so viele unterschiedliche Bewegungsanlässe, dass jedes Kind entsprechend seines Entwicklungsstandes sich altersgemäß den Weg und die Bewegungsmöglichkeiten suchen kann. So wird die Grobmotorik altersentsprechend geübt beim Springen über Gräben, Klettern in Bäumen, Balancieren auf unterschiedlichen Untergründen, beim sich Hochziehen, Rutschen auf Lehmboden, beim Steigen über Dornen, beim Erobern zugewucherter und unebener Flächen, beim Stapfen im Schnee, Rodeln am Hang, beim Balancieren, beim vorsichtigen Bewegen auf einem schmalen Pfad etc.. Wichtig ist uns hier auch, dass wir den Kindern die Zeit geben, sich zu erproben und Herausforderungen zu bewältigen, damit sie in Ruhe ihren Entwicklungsschritt machen können.

Durch das tägliche hohe Bewegungsangebot werden Herz und Kreislauf trainiert, die Grundkörpermuskelspannung reguliert, die Bildung einer gleichmäßigen Körpermuskulatur unterstützt und die Psyche stabilisiert.

Fingerfertigkeit / Feinmotorik

Das Spiel mit Naturmaterialien bietet permanent Anreize für die Entwicklung der feinmotorischen Fertigkeiten der Kinder. Wenn sie zum Beispiel Naturmaterialien rupfen und zupfen, um daraus Suppe zu kochen, wenn Naturmaterialien aufgefädelt, geflochten, zu Mandalas gelegt werden oder wenn Kinder mit Lehm kneten und formen.

Das Erleben des Waldes mit allen Sinnen beinhaltet auch, dass die Kinder ertasten und erfühlen, welche Feinheiten Blätter und Baumrinden aufweisen. So schulen sie ihre taktilen Sinne.

Festigung des Selbstbewusstseins

Die motorischen Herausforderungen fordern auch die Psyche heraus. Die Kinder setzen sich auch psychisch mit ihren eigenen Grenzen, mit ihrem Scheitern, Üben und Gelingen auseinander. Dies geschieht auf ganz natürlichem Wege, da die Natur jedem Kind eine passende Grenze bietet. Während der Dreijährige sich die leichtere Schräge wählt, geht der Fünfjährige den steilen Hang nach oben, um so gemeinsam ans Ziel zu kommen.

Hinfallen, Aufstehen, Klettern, Hochkommen – Das Erfahren von Grenzsituationen im körperlichen Bereich schafft ein stabiles Fundament, um auch mit psychischen Stresssituationen besser umgehen zu können. Hier gewinnt das Kind Sicherheit und Selbstbewusstsein.

Sinnesreize – Wahrnehmungsförderung

Im Wald ist das Erleben immer ein ganzheitliches: Alle Sinnesreize sind im Wald angesprochen, die unterschiedlichen und vielfältigen Sinneseindrücke fügen sich zu einem sinnvollen Ganzen zusammen.

Wir sehen die Sonne über dem Wald aufgehen, den Vogel im Geäst, die Blätter wackeln, wir hören die Vögel singen, die Blätter rauschen, wir spüren die Wärme und den Wind auf der Haut und riechen den Waldboden, die vermodernden Blätter, die blühende Wildkirsche und erfahren uns als Teil des Ganzen.

Konzentrationsförderung – Verweilen können und Stille

Der Naturraum bietet viele Möglichkeiten zu verweilen, zu beobachten und sich mit allen Sinnen mit der Umgebung auseinandersetzen. Wir wollen den Kindern Raum geben, an den interessanten Begebenheiten des Waldes zu verweilen. Daher ist uns wichtig, Zeit zu haben z.B. während eines Spaziergangs, um ein Spinnennetz zu bestaunen oder der Schnecke zuzuschauen, wie sie den Weg überquert.

Stille macht es möglich, genauer wahrzunehmen, zu lauschen, wer im Wald zu hören ist, sich zu konzentrieren. Auch sich selbst wahrzunehmen ist in der Stille möglich. Die Kinder finden eine innere Ruhe, lernen sich kennen und annehmen.

In der Stille des Waldes kommen die Kinder zu sich, spüren ihre eigenen Bedürfnisse, ihre Kreativität und ihre Befindlichkeit. Stille fördert die Konzentrationsfähigkeit.

kognitiver Bereich

Bewegungsherausforderung und damit die Weiterentwicklung einer guten Körpermotorik sind eine wichtige Voraussetzung für kognitives Lernen. Der natürliche Bewegungsdrang des Kindergartenkindes kann im Wald ausgelebt werden, was eine optimale Voraussetzung ist für kognitives Lernen und den Übergang in die Schule.

Waldpädagogik will Wissen vermitteln: Die Bildung eines Welt- und Menschenbildes, das Einbinden von Erkenntnissen und Erfahrungen in den lebenspraktischen Alltag sind Teil des Bildungsprozesses. Es geht um die Pflege von Einstellungen und eines Bewusstseins für die Umwelt, denn es gibt eine enge Beziehung zwischen Wissen und Einstellungen. Im Wald finden wir alle wünschenswerten Materialien, um den Kindern Lernfelder zu eröffnen und Zusammenhänge begreifbar zu machen. Die Kinder können forschen und entdecken, beobachten und ausprobieren, darüber berichten, diskutieren. Das geschieht ganz nebenbei, denn die Fragen der Kinder entstehen beim Tun und Erleben: Wohin sickert das Wasser? Warum ist die Wiese morgens nass?

Die Erzieherinnen stehen den Kindern als Ansprechpartner zur Seite, ermutigen sie und helfen ihnen, die Welt verstehen zu lernen.

Soziales Lernen

Im Waldkindergartenalltag sind die Kinder nicht nur motorisch, sondern auch sozial gefordert: Als Gruppe geben sich die Kinder gegenseitig Sicherheit und Halt, so kann soziales Lernen entstehen: Die Kinder lernen eigene Interessen zu erkennen und zu vertreten, einander zu helfen, Rücksicht zu nehmen, Verständnis für andere aufzubringen, geduldig zu sein , anderen zuzuhören, Verantwortung für das Tun und dessen Folgen zu übernehmen, Hilfe anzubieten und anzunehmen.

Im Laufe der Kindergartenzeit sollen die Kinder ihre Persönlichkeit stabilisieren können und die Gruppe soll sich zu einer starken Gemeinschaft mit festem Zusammenhalt entwickeln, der auch über die Kindergartenzeit hinaus trägt.

Nachhaltigkeit

„Nur was ich kenne, kann ich lieben und nur, was ich liebe, kann ich schützen.“ (Konrad Lorenz)

Neben der Ausbildung einer Beziehung des Kindes zur Natur, die die Grundvoraussetzung für eine Sensibilisierung für den Naturschutz ist, steht für uns auch die Vorbildfunktion der Einrichtung und die Erziehung zu schonendem Umgang mit den Ressourcen, respektvollem Umgang mit der Natur im Fordergrund. So halten wir die Kinder an, nur so viele Blumen oder Blätter zu pflücken, wie für das Spiel benötigt werden, wir achten und schützen die Lebewesen und ihre Lebensräume. Wir vermeiden und trennen Müll, halten an zu sparsamem Gebrauch von Papier, Bastelmaterial und Wasser.

Ganzheitlichkeit

Wir wollen eine emotionale Basis schaffen für ein tieferes Verständnis der Welt. Das Erleben mit allen Sinnen führt zu einer tiefen Verankerung der Erlebnisse und des Wissens im Gedächtnis. Die Kinder verbinden sich mit den Lebewesen in der Natur und damit auch mit sich selbst. Dies stärkt die Kinder für ihr weiteres Leben, weil sie ein Gefühl für ihren Platz im großen Ganzen haben und so auch den anderen ihren Platz lassen können.

Inneres Gleichgewicht

Der Wald ohne Türen und ohne Wände gibt Raum, die innere Unruhe abzubauen, Aggressionen abzubauen und umzuleiten in gelenkte Bewegungen oder in Kreativität.

Gesundheit

Der Wald fördert die Gesundheit durch Bewegung, Farbe, Wind und Wetter. Die offene Umgebung verringert die Infektionsgefahr. Herz und Kreislauf sind trainiert, die vermehrte Bewegung stärkt die Körperspannung, stärkt die Muskulatur gleichmäßig und stabilisiert dadurch auch die Psyche.

Die gesamte Konzeption des Waldkindergartens kann hier heruntergeladen werden:
2022 Konzeption